Presse - Anhörung zur Öffnungsklausel im Sächsischen Landtag

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Von Matthias Kubitz, Landesvorsitzender

DRESDEN: Am 2. Juni fand im Sächsischen Landtag eine öffentliche Anhörung vor dem Verfassungs- und Rechtsausschuss zum Thema "Öffnungsklausel" statt. Als Sachverständige waren u. a. der GdP-Bundesvorsitzende, Konrad Freiberg, der GdP-Landesvorsitzende, Matthias Kubitz, und der stellv. GdP-Landesvorsitzende, Peer Oehler, eingeladen.

Die GdP stellte ihre Argumente gegen eine Öffnungsklausel dar: In der sächsischen Verfassung, Artikel 91, wird für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, welche zu Eingriffen in Grundrechte der Bürger befugt sind, festgeschrieben, dass "die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis in einem Dienstvertrag."

Dazu wird in Artikel 92 der sächsischen Verfassung weiter ausgeführt, dass die Beschäftigten "... Diener des ganzen Volkes, nicht einer Partei oder sonstigen Gruppe..." sind. Hierzu leistet jeder Beamte einen entsprechenden Amtseid.

Weitergehende Regelungen finden sich im sächsischen Beamtengesetz. So wird im § 72 Abs. 1 beschrieben, dass der Beamte "... sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat und innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, welche sein Beruf erfordert...".

Unabhängige Meinungsforschungsinstitute haben in der Vergangenheit bei mehreren Umfragen festgestellt, dass die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland höchstes Vertrauen in die Polizei hat. Somit kann auch in Sachsen davon ausgegangen werden, dass die Beamten ihren Pflichten entsprechend des von ihnen geleisteten Eides nachkommen.

Im § 72 Abs. 2 SächsBG wird den Beamten die Pflicht auferlegt "... an der dienstlichen Fortbildung teilzunehmen und sich außerdem selbst fortzubilden, um steigenden Anforderungen seines Amtes gewachsen zu sein. Die obersten Dienstbehörden fördern die dienstliche Fortbildung".

Sich außerdem fortzubilden, heißt für den Beamten nichts anderes, als auch in der Freizeit eine ständige Aktualisierung seines Fachwissens zu betreiben. Hierzu ist der Beamte gezwungen, sich Fachliteratur, Gesetzestexte und Kommentare zu beschaffen. Kosten für Fachliteratur sind nicht unerheblich. Im Rahmen der Beauftragung zur Weiterbildung müssen auch derartige Kosten übernommen werden. In der sächsischen Polizei sind ca. 70 % der Polizistinnen und Polizisten in der Laufbahn des mittleren Dienstes. Das bedeutet, dass sie eine Bruttovergütung zwischen 1400 Euro und 1800 Euro erhalten. Bei der Arbeitslosigkeit in Sachsen ist davon auszugehen, dass das Einkommen des Beamten auch das Familieneinkommen ist. Wenn Sie also selbst in Gedanken ausrechnen, wie viel den Familien der Beamten bleibt, werden Sie sehr schnell an eine moralische Grenze zu weiteren Einsparungen auf Kosten dieser Familien kommen.

Zu den weiteren Beamtenpflichten gehört es auch, "... ohne Vergütung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern ...". So ist es im § 91 Abs. 2 SächsBG geregelt. Dabei hat der Gesetzgeber festgelegt, dass bis zu fünf Stunden Mehrarbeit im Monat weder durch Dienstfrei noch durch Vergütung ausgeglichen werden.

Wie schnell fünf Stunden in einem Monat durch die Beamten geleistet werden müssen, kann sich jeder vorstellen, wenn man von einigen einfachen Beispielen ausgeht, bspw. Von der Aufnahme eines Verkehrsunfalls während des Schichtwechsels, dem Einschreiten bei einer Familienstreitigkeit oder Ähnlichem.

Zu den (alt-) hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums gehört auch die Pflicht des Beamten, sich in seiner Freizeit psychisch und physisch zu regenerieren, um die Aufgaben seines Dienstverhältnisses im vollen Umfang erfüllen zu können. Zur Unterstützung dieser auferlegten Pflicht wird als Sonderzuwendung das sogenannten Urlaubsgeld gewährt. Mit den als Urlaubsgeld gewährten 250 Euro ist mit Sicherheit keine Urlaubsreise oder Ähnliches zu bezahlen. Es ist jedoch eine moralische Gegenleistung des Staates für eine auferlegte Pflicht.

Im Gegenzug zu den besonderen Pflichten des Beamten verpflichtet sich der Dienstherr "im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen". Nachzulesen auch im § 99 SächsBG.

Durch den Gesetzgeber ist weitergehend festgelegt, dass die Besoldung der Beamten durch das Bundesbesoldungsgesetz und das Sächsische Beamtengesetz geregelt wird.

Seit Mitte der 70er Jahre ist die Besoldung der Beamten bundeseinheitlich geregelt. Auf Grund der Haushaltslage in den verschiedenen Ländern wird nunmehr unter dem Vorschieben des Föderalismus versucht, eine Rückübertragung von Kompetenzen des Bundes auf die Länder zu erreichen. Immer wieder ist auch der Freistaat Sachsen Mitinitiator derartiger Bestrebungen. In Bezug auf die so genannte Öffnungsklausel im rahmen der Beamtenbesoldung wird vordergründig das Argument benutzt, dass somit dem Leistungsprinzip besser Rechnung getragen werden könne. Das Gegenteil ist der Fall. Was droht ist ein ungesunder Wettbewerb der Länder um die besten Beamtinnen und Beamten. Selbst der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der thüringische Innenminister Andreas Trautvetter, stellte im Zusammenhang mit der Öffnungsklausel bereits fest, dass dies ein Besoldungs- aber kein Leistungswettbewerb würde.

Würde das Argument zur Leistungsförderung ein echtes Argument in der Sache sein, muss man als erstes die Frage stellen, ob denn die Polizistinnen und Polizisten in Sachsen tatsächlich leistungsgerecht besoldet werden. Die Antwort auf diese Frage ist eine ganz einfache. Die Polizistinnen und Polizisten im Freistaat Sachsen werden nicht leistungsgerecht besoldet, sonder als Sparpotential für den Staatshaushalt benutzt. Die Beweisführung kann man im "Kienbaum- Gutachten" nachlesen, welches bereits in den 70er Jahren feststellte, dass die Polizeiarbeit der Beamten im Vergleich zur sachbearbeitenden Tätigkeit von Angestellten zu sehen ist. Das würde für eine leistungsgerechte Besoldung der Polizei bedeuten, dass es keine Polizistin und keinen Polizisten mehr geben dürfte, welcher sich in der Laufbahn des mittleren Dienstes befindet. In Sachsen sind es aber 70 % der Polizistinnen und Polizisten. Bevor also Initiativen zur Absenkung der Besoldung aus Leistungsgesichtspunkten erfolgen, sollte erst einmal die leistungsgerechte Besoldung erfolgen.

Der föderale Grundgedanke geht davon aus, dass der Gesamtstaat für die Dinge zuständig ist, die im Interesse des Volkes einheitlich geordnet werden müssen. Die innere Sicherheit ist ein Gesamtinteresse des Volkes der Bundesrepublik Deutschland.

Bis in die 70er Jahre war die Beamtenbesoldung Ländersache. Zum damaligen Zeitpunkt wurde in der Bundesrepublik erkannt, dass durch das Gefälle bei der Beamtenbesoldung unter anderem ein Qualitätsgefälle bei Sicherheit und Ordnung existierte. So wanderten auch Polizisten in besser zahlende Bundesländer ab, Ausbildung und Ausstattung der Polizei waren von Land zu Land vollkommen unterschiedlich. Vor diesem Hintergrund stellte man fest, dass dieser Zustand nicht länger tragbar war und übertrug die Regelungskompetenz an den Bund.

Der Föderalismus befindet sich gegenwärtig in einer Sinnkrise. Durch Aufteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder sollen mehr Bürgernähe und mehr politische Handlungsfähigkeit ermöglicht werden. Diese Idee verkehrt sich in der bundesrepublikanischen Realität eher in das Gegenteil. Bei uns entzieht der Föderalismus den Parlamenten und Bürgern die Beteiligungsmöglichkeiten an der Ausgestaltung des Staates und führt so zu immer größer werdender Bürgerferne. Zum Ausdruck kommt das Ganze in der ständig wachsenden Polizeiverdrossenheit der Bürger, welche in der fehlenden Mitgestaltungsmöglichkeit begründet liegt.

Die Macht des Bundesrates spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Im Bundesrat sollen eigentlich die Länderinteressen in die Bundesrepublik eingebracht werden. In der Realität wird der Bundesrat zunehmend parteipolitisch instrumentalisiert. Eine abweichende parteipolitische Mehrheit, wie sie allmählich fast zur Regel in der Bundesrepublik geworden ist, wird aus machtpolitischen Gründen immer versuchen, mit ihren Mitteln die Mehrheiten im Bundestag zu beeinflussen.

An dieser Stelle ist eine politische Reform notwendig. Der Reformbedarf wird fast durchgehend erkannt. Während in der Vergangenheit gewisse Reserven des politischen Entscheidungsverfahrens hingenommen werden konnten - angesichts der Produktivität und des Wachstums bleib noch genug für das Notwendige an Verteilung übrig -, so hat sich die Situation grundlegend geändert. Das hängt mit dem nachlassenden Wirtschaftswachstum, den größeren Lasten infolge der Wiedervereinigung, der anhaltenden Arbeitslosigkeit und den demographischen Umschichtungen zusammen. Hinzu kommt der stärkere Wettbewerbsdruck durch Europäisierung und Globalisierung und spätestens seit dem 11. September 2001 ganz neue Herausforderungen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit.

Daraus ergeben sich die Aufgabenvielfalt und der notwendige Reformbedarf auf allen politischen Gebieten. Ausgerechnet in dieser Phase greift man die Beamtenbesoldung an und argumentiert, dass die Rückübertragung von Kompetenzen auf die Länder mit der Einführung der so genannten Öffnungsklausel dem im Grundgesetz verankerten Leistungsprinzip besser Rechnung tragen kann. Das ist eine Politik der leeren Kassen, welche die Polizistinnen und Polizisten zum Sparschwein des sächsischen Haushalts machen will. Das ist ein Angriff auf die Qualität der Polizeiarbeit und die innere Sicherheit. Es geht um die innere Sicherheit, die man nicht mit Worten oder Lippenbekenntnissen sicherstellt, sondern mit Menschen, mit Polizistinnen und Polizisten.

Die Initiative zur Öffnungsklausel hat nichts mit einer Berücksichtigung von regionalen, sozialen und leistungsbezogenen Gesichtspunkten durch die Länder zu tun. Es ist auch eine vollkommen abwegige Argumentation, dass das Besoldungsrecht im Kern nicht angetastet werden. Den Polizistinnen und Polizisten drohen reale Einkommensverluste, die es erschweren werden, Fachkräfte für den Dienst zu gewinnen. Bei länderübergreifenden Einsätzen werden die Polizistinnen und Polizisten erfahren müssen, dass ihre gefahrengeneigte Tätigkeit einen vollkommen unterschiedlichen Stellenwert hat. Demotivation wird die logische Folge sein.

Wie wenig stark die Sachargumentation der sächsischen Staatsregierung für die Öffnungsklausel ist, konnte man vor wenigen Tagen dem "Spiegel" entnehmen, welcher berichtete, dass der sächsische Ministerpräsident mit einem völlig danebenliegenden, sachfremden Argument bei den Abgeordneten der CDU/CSU- Bundestagsfraktion um die Zustimmung zur Übertragung der Regelungshoheit an die Länder geworben hat.

Die Polizistinnen und Polizisten des Freistaates Sachsen haben mit Amtseid geschworen, ihre ganze Kraft für das Volk einzusetzen. Sie erfüllen ihre Aufgabe in hervorragender Weise, was auch durch die sächsische Staatsregierung immer wieder eingeräumt werden muss. Im Vergleich der unterschiedlichsten Statistiken zur Abrechnung der Polizeiarbeit belegt die sächsische Polizei seit Jahren Plätze im vorderen Drittel der Polizeien der Länder.

Die hervorragenden Leistungen der sächsischen Polizei fordern das angemessene Fürsorgeverhalten des Staates. Wenn es die Auffassung des Staates ist, dass hervorragende Leistungen im Dienst eine Kürzung der Besoldung nach sich ziehen müssen, dann ist die Initiative der sächsischen Staatsregierung nachvollziehbar.

Ich möchte in aller Ernsthaftigkeit darauf verweisen, dass die bestehenden Dienst- und Treueverhältnisse unter rechtlichen Rahmenbedingungen zustande gekommen sind, welche sowohl der Beamte als auch der Staat als Vertragspartner gekannt haben. Das Vertrauen in die Rechtssicherheit gebietet es, dass nicht einer der Vertragspartner plötzlich die Bedingungen des Vertrages einseitig ändert. Diese einseitige Änderung zerstört das Vertrauen in die Rechtssicherheit und wird in keiner Art und Weise zu einer Leistungsförderung beitragen, sondern Demotivation und Leistungsabfall werden eher die zu erwartenden Folgen sein.

Von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages erwarten wir, dass sie sich schützend vor die Polizistinnen und Polizisten des Freistaates Sachsen stellen und den bisherigen Initiativen der sächsischen Staatsregierung Einhalt gebieten. Wir als Gewerkschaft der Polizei sind bereit, in Verhandlungen für eine echte Reformierung zur Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Treueverhältnisses einzutreten. Eine reine Sparpolitik auf Kosten der Beamtinnen und Beamten wird weiterhin alle Maßnahmen zur Gegenwehr aufrufen.

Von der Abgeordneten des Sächsischen Landtages erwarten wir, dass sie sich schützend vor die Polizistinnen und Polizisten des Freistaates Sachsen stellen und den bisherigen Initiativen der sächsischen Staatsregierung Einhalt gebieten.

Sofern der Bundestag tatsächlich die Regelungskompetenz auf die Länder überträgt, wäre zumindest erforderlich, dass jeder Eingriff in die Besoldung der Beamtinnen und Beamten dem Gesetzesvorbehalt unterworfen wird und nicht in die Verordnungsbefugnis der Regierung gestellt wird. Derzeitig wird der Regierung im § 108 SächsBG eine generelle Befugnis zum Erlass von Verordnungen in Bezug auf Besoldung und Versorgung der Beamten gewährt.

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