Presse - Karl Marx im Freistaat Sachsen?

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Von Peer Oehler

Liebe KollegInnen,

ich wurde unlängst gefragt, warum die GdP nicht endlich mal gegen den Freistaat Sachsen klage, weil er seine Fürsorge vernachlässigt. Ungeachtet der Tatsache, dass ich diese Auffassung teile und dies an Beispielen auch schon mehrfach deutlich gemacht habe, ist eine solche Klage schwierig, wenn nicht unmöglich.

Scherzhaft habe ich aber wie folgt geantwortet. Das Beamtengesetz verpflichtet den Freistaat Sachsen, für den Beamten und seine Familie zu sorgen. In welchem Umfang aber? Vielleicht hat die Staatsregierung den alten Marx entdeckt und sich an seinen Theorien zu Grundbedürfnissen orientiert. Die waren: Essen, Kleiden, Wohnen! Also würde, wenn das der Umfang der Fürsorge wäre, alles in Ordnung sein, so lange der Freistaat Sachsen den Beamten und seine Familie kaserniert unterbringt, die Familie ihren täglichen Verpflegungsbeutel bekommt und sich in der Bekleidungslieferstelle einkleiden darf. (Wäre ja auch nett, denn dann können die Kinder in Uniform kostenlos mit der Bahn zur Schule fahren, wenn sie sich beim Fahrer anmelden.) Aber eigentlich ist es nicht zum Scherzen. Fürsorge bedeutet eben mehr. Und das muss der Freistaat Sachsen begreifen.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, eine abgesenkte Alimentation im Osten wäre verfassungskonform. Das ist hinzunehmen, auch wenn die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme nicht die Wahrheit sagt, damit das Gericht wohl in die Irre führen wollte. So wird ausgeführt, man hätte AUSNAHMSLOS das jeweilige Tarifergebnis auf die Beamten zeit- und inhaltsgleich übertragen und damit die Einheit des öffentlichen Dienstes gesichert und gestärkt. Das ist schlichtweg falsch! Die GdP hat mit ihrer Unterstützung das Mindeste versucht.

Doch kaum hat man diesen Hammer verdaut, legt die sächsische Staatsregierung nach und legt der GdP einen Referentenentwurf über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vor. Eigentlich ist der Gesetzesname schon verwirrend, denn es geht nicht um "Gewährung" sondern um "Kürzung". Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld sollen zusammen gelegt und dann radikal dezimiert werden. Über eine seltsame Konstruktion eines "typischen Eckmannes (verheiratet, 1 Kind) mit realitätsnaher Grundgehaltsstufe" kommt man zu den Ansprüchen in den einzelnen Laufbahnen, nimmt davon im mittleren Dienst 45%, im gehobenen 42,5% und im höheren 40%, rundet ein bisschen, schlägt die Eingangsämter der Laufbahnen der jeweils niedrigeren Laufbahn zu und legt dann Festbeträge vor.

350,00 Euro für Anwärter, 950,00 Euro bis einschließlich A9, 1250,00 Euro bis einschließlich A13, 1550,00 Euro bis einschließlich A16, alle anderen 2100,00 Euro. Und da ist sie wieder: die Fürsorge im Freistaat!

Das Unglaubliche dabei ist, dass es das Gesetz ermöglicht, im Jahr 2003 das bereits gezahlte Urlaubsgeld mit der dann vielleicht neuen gekürzten Einmalzuwendung zu verrechnen, denn man hat eben nur noch einmal jährlich den Anspruch auf die Höhe des Festbetrages. Wir werden dagegen vorgehen! Sachsen ist wieder mal nicht zimperlich. Der Bund plant Reduzierung des Weihnachtsgeldes erst für 2004 und dann auch nur auf 60%.

Was ist nun Fürsorge? Ich kann es nicht bis ins letzte aufschreiben. Aber es ist mehr, als die Zeilen eines Gesetzes gebieten. Es ist der Geist des Zusammenhaltes und des Mit- und Füreinander, der zwischen den Zeilen aus dem Gesetz hervorgeht.

Ein Beispiel. Die Laufbahnverordnung des BGS wurde geändert. Seit letztem Herbst gibt es jetzt dort den §3a, der mit "Förderung der Leistungsfähigkeit" überschrieben ist. Der Beschäftigte erhält damit Anspruch auf Förderung durch Fortbildung, durch Beurteilung, durch Mitarbeitergespräche, durch Zielvereinbarungen und durch die Möglichkeit der Einschätzung der Vorgesetzten durch ihre Mitarbeiter. Zugegeben auch das ist nur bloßer Text. Wie es in der Praxis aussieht, muss sich zeigen. In Sachsen reicht es aber nicht mal zu diesem Text, geschweige denn zur Umsetzung von Mitarbeiterförderung.

Unsere Staatsregierung nähert sich in ihrer Fürsorge wohl doch den marxschen Grundbedürfnissen an. Schade, denn damit trennt sich der Freistaat von seinen Beamten. Wen wundert´s, wenn sich zunehmend mehr Beamte vom Freistaat trennen.

Liebe Kolleginnen, jede Kürzung ist für die GdP schmerzhaft, aber der Freistaat sachsen wird im öffentlichen Dienst kürzen. Doch die Frage ist: Wie? Die GdP spricht sich für bundeseinheitliche Besoldung aus. Deshalb hat sich die Staatsregierung am Entwurf der Bundesregierung (ab 2004 Reduzierung des Weihnachtsgeldes auf 60% ohne Festbeträge und Streichung des Urlaubsgeldes) zu orientieren. Und die Differenz zu seinen gewollten Einsparungen bekommt der Freistaat von der GdP auch noch als Vorschlag geboten: Abschaffung von Leistungsstufen- und Leistungsprämien- Verordnung! Erstens sind beide Maßnahmen wie Bomben: sie treffen zufällig und unvorhergesehen. Und zweitens hat der Freistaat schon im Jahr 2003 selbst davon Abstand genommen, diese zu zahlen und die entsprechenden Gelder artfremd verbraucht.

Alles zusammen wären auch diese Kürzungen schmerzhaft genug, aber immer noch soziales und vernünftiger als der Entwurf der Staatsregierung und vor allem ein Zeichen für bundeseinheitliche Besoldung in Ost und West und in Bund und Land.

Peer Oehler
Stellv. Landesvorsitzender

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