Presse - "Zur Zeit sind andere Dinge gefordert, als Constanze Krehl leisten kann"

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"Zur Zeit sind andere Dinge gefordert, als Constanze Krehl leisten kann" Wie steht es um die sächsische SPD? Antworten des Dresdner Chefs... Von Tino Nieschwitz, online- exklusiv

Es gibt Streit in der sächsischen SPD um die Wahlliste zur Bundestagswahl. Es gibt den Vorwurf, die Dresdner Kandidaten wurden nicht ausreichend berücksichtigt. Erst auf Platz 12 findet sich mit Marlies Volkmer. Sie ist Chefin des Unterbezirkes Dresden- Elbe- Röder. Der zweite Dresdner Kandidat, Martin Dulig, findet sich gar erst auf Platz 15. Er ist derzeit Juso- Landesvorsitzender. Nur die ersten acht Plätze gelten als relativ sicher für einen Einzug in den Bundestag. Gestern stimmte die Landeswahlkonferenz in Dresden für eine ungeänderte Liste. sz-online sprach mit dem Dresdner SPD- Vorsitzenden Peer Oehler über den Konflikt und den Zustand der Partei.

sz-online: Hat die Dresdner SPD keinen Einfluß oder weshalb finden sich die Dresdner Kandidaten nur auf aussichtslosen Plätzen?

Peer Oehler: Die Dresdner SPD hat Einfluß, aber nicht in die Richtung, wie sie es gerne will. Sie ist ein Teil der Partei, der für Erneuerung steht, für Innovationen, für Frische, für das, was sich die Bürger wünschen - Ehrlichkeit, unangenehme Fragen und weg von Prozentetaktik. Dieser Trend ist aber derzeit in der SPD nicht mehrheitsfähig.

sz-online: Sehen Sie dennoch Fortschritte?

Peer Oehler: Ja. Ich bin mir nur noch nicht im Klaren darüber, wie schnell die Fortschritte zu erreichen sind. Dass es eine Veränderung, früher oder später, geben wird, ist klar. Ich bezweifle aber, dass unser Erneuerungsvermögen zur Zeit so stark ist, dass wir uns zusammenraufen und als neue, frische, innovative Partei auftreten.

sz-online: Die SPD kam bei der letzten Landtagswahl lediglich auf 10,7%. Kann sie sich vor diesem Hintergrund die derzeitigen Querelen erlauben? Wird es letztlich zu einer Spaltung der Partei führen?

Peer Oehler: Eine Spaltung der Partei sehe ich nicht. Ich sehe eine notwendige Erneuerung. Diesen Weg werden einige mitgehen und andere werden sich dem verweigern. Wenn die Frage dahingeht, ob man sich diese Querelen erlauben kann, für mich sind dies keine Querelen im negativen Sinne. Es ist der Auftakt zu einer Erneuerung.

sz-online: Halten Sie die SPD- Landeschefin Constanze Krehl für ungeeignet? Fehlt ihr die Unterstützung der Basis?

Peer Oehler: Keiner ist pauschal ungeeignet oder geeignet. Es gibt Dinge, die zur passenden Zeit richtig oder falsch sind. Ich denke, zur Zeit sind andere Dinge gefordert, als Constanze Krehl leisten kann. Für mich ist sie als Vorsitzende keine Führungskraft mit innovativem und vor allem integrierendem Geist.

sz-online: Haben Sie den Eindruck, dass die sächsische SPD von einigen wenigen Personen ferngesteuert wird?

Peer Oehler: Natürlich. Die Fernsteuerer sitzen meist im Hintergrund. Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass ich den Bundestagsabgeordneten Gunter Weißgerber für eine dieser Personen halte. Constanze Krehl lässt sich aufgrund eigener Führungsschwäche von ihm fernsteuern. Wer als politische Führungskraft Mandatsträger als Einflüsterer braucht und sich von ihnen missbrauchen lässt, zeigt, dass es an der Kompetenz zu führen offensichtlich mangelt.

sz-online: Rolf Schwanitz, Staatsminister für den Aufbau Ost, geht als sächsischer Spitzenkandidat ins Rennen. Wie bewerten Sie seine Nominierung?

Peer Oehler: Rolf Schwanitz als Spitzenkandidat hat meine volle Unterstützung. Allerdings ist sein Auftreten auf der gestrigen Landeswahlkonferenz für mich mehr als unangenehm, indem er seine ministeriellen Kräfte in die Waagschale geworfen hat, um Gunter Weißgerber zu stützen. Im Übrigen halte ich seine Aussage, es gelte jetzt die gewetzten Klingen wieder wegzustecken, bzw. auf den politische Gegner zu richten, für ausgesprochen falsch. Er hat offensichtlich nicht begriffen, dass Dresden, Aue- Zwickau und einige andere Unzufriedene nicht Klingen gewetzt haben. Sie haben neue, innovative Köpfe zur Verfügung gestellt. Wenn ein Staatsminister das zur Verfügung stellen neuer Köpfe als das Wetzen von Klingen betrachtet, dann hat er die Zeichen der Zeit nicht begriffen.

sz-online: Sehen Sie einen Zusammenhang mit der zeitlichen Nähe des Landesparteitags im August und der Bundestagswahl?

Peer Oehler: Ich weiß nicht, ob es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt. Auf jeden Fall reiht es sich ein in das ganze Führungsverhalten. Wer eine solche Landesliste aufstellt und durchpeitscht, der ist auch grundsätzliche derjenige, in dem Fall diejenige, die Jubelparteitage inszeniert. Mir wäre es lieber, über eine Führungsmannschaft dann zu entscheiden, wenn kein Wahlkampfdruck herrscht. Dies ist der Landesvorsitzenden klar. Gerade weil ihr dies klar ist, ist es auch logisch, dass sie eine personelle Auseinandersetzung nur dann führen will, wenn sie weiß, dass die sächsische SPD unter dem Druck des Wahlkampfes steht.

sz-online: Wie will die Dresdner SPD die sächsische SPD voranbringen?

Peer Oehler: Wir müssen als Erstes deutlich machen, dass Besitzstandswahrung, Versorgungsmentalität, Erbfolge und Postenschacherei in der Politik out sind. Kein vernünftiger Wähler wird solch ein Verhalten honorieren. Erst wenn diese Selbstreinigung in der Partei vollzogen ist, die für mich dringend notwendig ist, wird sich etwas ändern. Es muss deutlich gemacht werden, dass durch die Dresdner SPD diese Erneuerung beflügelt wird. Wir werden es in Dresden vormachen. Wir werden für die Landesebene zur Verfügung stehen, um an einem neuen Konzept mitzuarbeiten. Das gegenwärtige Konzept scheint ja nicht zu funktionieren.

sz-online: Wie beurteilen Sie die Chancen der beiden Dresdner Kandidaten für den Bundestag?

Peer Oehler: Da die Landesvorsitzende offensichtlich kein Interesse daran hat, dass Dresdner Kandidaten im Bundestag vertreten sind, gehen wir den anderen, zweifellos schwierigeren Weg. Wir werden mindestens ein Direktmandat holen müssen.

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