Presse - Vom Bäcker zum Polizisten in 12 Wochen

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sz-online besuchte die neue Wachpolizei in der Ausbildung.

In zwölf Wochen zum uniformierten und bewaffneten Wachpolizisten: Das scheint zu gehen, wenn es die Politik so will.

Der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York vom 11. September wirkt sich bis nach Sachsen aus. Seitdem wurden gefährdete Objekte durch die überforderte Bereitschaftspolizei geschützt. Es musste schnell gehen, eine neue Lösung zu finden. Am 7. Februar 2002 beschloss der Sächsische Landtag eilig das Gesetz zur Einrichtung einer Wachpolizei.

Wachpolizei? Das wird eine uniformierte und bewaffnete Truppe, welche ab Sommer die Bereitschaftspolizei im Bereich des Objektschutzes entlasten soll.

Das Sächsische Staatsministerium des Innern startete eine Stellenausschreibung, auf die sich 1892 Männer und Frauen meldeten. Diese Bewerberflut siebte sich in umfangreichen Auswahltests wie von selbst. Übrig blieben gerade einmal 209 geeignete Personen, davon 71 Frauen.

In Dresden schwitzen sich seit 1. Mai 41 Männer und 16 Frauen durch das Ausbildungsprogramm. Dieses dauert nur 12 Wochen. Der Unterricht beginnt um 7.15 Uhr und endet 15.45 Uhr. Das heisst früh aufstehen, vor allem für die aus dem Umkreis. Nur wenige wohnen direkt in Dresden, die Auszubildenden kommen zum Beispiel aus Zittau, Pirna, Arnsdorf oder Stolpen.

In einem Unterrichtsraum sitzen 19 durchweg junge Leute und lauschen aufmerksam den Ausführungen ihres Lehrers. Strafrecht steht auf dem Programm. Die Jungen und Mädchen im Raum haben offensichtlich wenig Ahnung davon. Macht ja nichts, in zwölf Wochen kann man eine Menge lernen. Der Strafrechtslehrer Peer Oehler (34) vermittelt den Stoff auf kumpelhafte Art. "Wann handeln Sie nicht aus freiem Willen?", fragt er in den Raum hinein. "Antworten Sie ruhig aus dem Bauch heraus." "Im Suff", kommt von einem angehenden Wachpolizisten und die Klasse samt Lehrer lacht.

In den ersten zehn Wochen erhalten die zukünftigen Wachpolizisten eine theoretische Intensivausbildung in den Fächern Rechtslehre, Gesellschaftslehre, Polizeidienstkunde. Der praktische Teil besteht in Einsatzausbildung, Waffen- und Schießausbildung sowie praktischem Kommunikations- und Verhaltenstraining (KVT).

Der Schwerpunkt der Ausbildung liegt beim Schießen, erklärt Lehrgangsleiter Jürgen Reichert (58). 120 Stunden sind für den Umgang mit Waffen vorgesehen. Das KVT dagegen wird in 43 Unterrichtsstunden abgehandelt. Die eigentliche Einsatzausbildung, zum Beispiel Selbstverteidigungstraining, umfasst 103 Unterichtseinheiten. Nach der zehnwöchigen Intensivausbildung mit abschließender schriftlicher Prüfung absolvieren die Wachpolizeischüler ein einwöchiges Praktikum in einer Polizeidirektion. Dann müssen sie nur noch durch die Abschlussgespräche, um das Zertifikat über die erfolgreiche Ausbildung zum Wachpolizisten zu erhalten. Und Ende Juli sind sie dann fertig. Lehrgangsleiter Reichert zeigt sich zuversichtlich: "Ich denke schon, dass wir alle durchbekommen." Ist das nun gut oder schlecht?

Die Männer und Frauen sind zwischen 18 und 28 Jahre jung. Sie kommen aus bodenständigen Berufen wie Metallarbeiter oder Bäcker. Bald werden sie uniformiert und mit Pistole, Schlagstock, Pfefferspray und Handschellen bewaffnet vor gefährdeten Objekten patroullieren. Abgesehen von der Synagoge stehen die schützenswerten Objekte in Dresden noch nicht endgültig fest. Die Sächsische Wachpolizei wird es zwei Jahre geben, so beschloss der Landtag. Danach können die "Objektschützer" eine verkürzte Ausbildung zum Bereitschaftspolizisten absolvieren.

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