Presse - "Junge, mach doch so was nicht"

zurück

Nicht dass meine Mutter etwas gegen die SPD hätte; ich glaube nicht. Aber als sie hörte, dass ich wieder einer Partei beigetreten bin und mich am 13.12.1999 habe zum Ortsvereinsvorsitzenden wählen lassen, schlug das mütterliche Herz besonders besorgt. "Du weißt doch, wie das endet." Ich weiß nicht, ob sie dabei an einen Untersuchungsausschuss dachte. Mit Sicherheit dachte sie aber stellvertretend auch für Vater an eigene Parteizugehörigkeit zur SED, an die Jahre der Wende, als plötzlich alle die, die in "der" Partei waren über einen Kamm geschoren wurden und daran, dass sie und mein Vater immer noch das Gefühl haben müssen, dafür gestraft worden zu sein, dass sie ein Ideal hatten.

Im übrigen hatte auch ich dasselbe Ideal. Ich halte nichts davon, mich hinter Zwängen zu verstecken und gebe unumwunden zu, ich wäre 1986 auch in "die" Partei eingetreten, wenn man es von mir als 18- jährigen Offiziersschüler bei der Bereitschaftspolizei nicht erwartet hätte. Der eine oder andere mag sich erinnern: "Das Übel an der Wurzel packen, die Partei von innen knacken." Das stand dafür, dass man wusste, es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber das Ziel ist gut.

Nun hat mich die Geschichte aber darüber belehrt, dass der Weg zu diesem Ziel indiskutabel ist, wenn er verbunden ist mit Mitteln des Diktats und dieses Ziel zu nebulös war, um ernsthafte Alternative zu sein. Der Polizei bin ich treu geblieben, der "Nachfolgepartei" nicht. Ich denke, mir bin ich auch treu geblieben. Ich bin kein Heiliger und kein Gläubiger, aber von christlichen Idealen halte ich viel. Ich bin kein Kommunist, aber von einer gerechten Gesellschaft halte ich viel. Und ich bin fest davon überzeugt, dass diese Bundesrepublik, dieser Freistaat Sachsen und diese Stadt Dresden etwas mehr Gerechtigkeit und Christlichkeit vertragen könnte.

Nach der Wende wurde ich Fachlehrer bei der Polizei und leitete bis zu meiner Wahl zum Vorsitzenden des Personalrates bei der Dresdner Bereitschaftspolizei an der Polizeifachschule die Fachgruppe Staats- und Verfassungsrecht. Oh Mann, da kann man ganz schön ins Schleudern kommen. Denn meine Schüler verglichen ständig die unterrichtete Theorie mit dem Leben. Und den einen oder anderen Widerspruch glaubten sie schon zu erkennen. Es kann also nur darum gehen, zu schauen, wo wir stehen, zu schauen, wo wir hinwollen, zu schauen, welche Mechanismen diesem Weg entgegenstehen und dann an einer gerechteren Gesellschaft mitzuarbeiten.

Ich würde mich freuen, wenn ich in der SPD einen Platz finde, an dem ich daran mitarbeiten kann, dass die Jugend und die Bildung gefördert wird und nicht die Bequemlichkeit des "Jetzt", an dem die Gerechtigkeit und das Teilen bestärkt wird und nicht der Besitzstand und der Egoismus. Und ich hoffe, dass ich einen Platz finde, an dem ich meiner Mutter beweisen kann: "Das muss nicht so enden."

Peer Oehler
Vorsitzender des SPD-Ortsvereins
Dresden-Neustadt

zurück