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"Polizei Sachsen" im Gespräch mit IdP "Polizei Sachsen" im Gespräch mit IdP Spang

Ein Interview, "Eine Polizei ist das getreue Spiegelbild der Gesellschaft" mit IdP Helmut Spang, sorgte vor allem im Raum Leipzig für eine heftige Diskussion in Reihen und müßte Gegenstand eines eigenen Interviews sein. Fragen der Vergangenheitsbewältigung und damit auch des Selbstverständnisses einer völlig neuen Polizei lassen sich nicht in dieser verkürzten Form darstellen.

"Polizei Sachsen": Darum wollen wir mit diesem Interview Klarheit schaffen. Was ist Sache?

IdP Spang: Fakt ist zunächst einmal, daß wir in Sachsen in den wenigen Jahren nach der Wende schon sehr viel erreicht haben. Bei knappen Kassen stellen wir uns allen Aufgaben; wir haben eine sehr gute technische Ausstattung, stehen in Fragen der Aus- und Fortbildung ganz vorne in den neuen Bundesländern, zahlreiche Konzepte in der polizeilichen Arbeit greifen, die Zahl der geklärten Straftaten steigt, ich erkenne, daß eine große Mehrheit der Kollegen sich in unserem Beruf engagiert und doch: In der Zusammenarbeit mit dem Bürger, im erlebten polizeilichen Alltag gibt es noch Defizite, die mich unruhig, ungeduldig machen.

"Polizei Sachsen": Was hat das mit der ehemaligen Volkspolizei zu tun?

IdP Spang: Lassen Sie mich zunächst auf das Interview im "Kreuzer" zurückkommen. Im Verlauf des Gesprächs kam der Journalist auch auf Vorbehalte aus der Bevölkerung gegenüber dem Einschreiten von Polizeibeamten zu sprechen. Da auch bei uns im SMI viele Beschwerden betroffener Bürger eingehen - wobei die Bandbreite vom arroganten Anschnauzen über recht fehlerhaftes Einschreiten bis zum Gar-nicht-Tätigwerden reicht - habe ich auch zu dieser Thematik Stellung genommen. Und, das muß ich an dieser Stelle unumwunden einräumen, nur allzuoft mußten sich das Ministerium, aber auch Dienststellen vor Ort oder Präsidien entschuldigen und zwar in einem Maß, wie dies in den "alten Bundesländern" zwar auch vorkommt, aber nicht annähernd in diesem Umfang. Und das tut weh, da jedes unqualifizierte Einschreiten die sich bildende Vertrauensbasis zwischen Polizei und Bürger gefährden kann.

Und nun zu Ihrer Frage nach dem Bezug zur Volkspolizei. Abgesehen von einem heute noch sehr großen Fortbildungsbedarf kommt die Frage nach dem polizeilichen Selbstverständnis auf. Ich sehe es so: In 40 Jahren Polizeigeschichte in den Alt- Ländern wuchs in unserem Beruf dort in einer offenen, zunehmend kritischen Gesellschaft eine Polizeibeamtenschaft heran, die heute bei jedem Kompetenz, Selbständigkeit, Initiative und ein hohes Maß an Partnerschaft im Verhältnis zum Bürger voraussetzt. Das verlangen die Menschen in den "neuen Bundesländern" auch von uns zu Recht und zwar heute. Ein Übergangsbonus wird uns nicht mehr eingeräumt.

"Polizei Sachsen": Fehlen uns diese Eigenschaften tatsächlich? Die Zahl der aufgeklärten Straftaten steigt doch! Wir stellen uns doch den Problemen!

IdP Spang: Aus dem Auftreten von Mitarbeitern sowie aus vielen Gesprächen mit Bürgern und Kollegen glaube ich erkannt zu haben, daß es noch zu vielen Polizeibeamten schwerfällt, entsprechend den neuen, demokratisch- rechtsstaatlichen Regeln zu denken und zu handeln. Ganz anders die Entwicklung in den "alten Ländern". Ich sprach davon und diese Professionalisierung im polizeilichen Denken, diese ständige Eigeninitiative mahne ich an. Wir haben in Sachsen keine Zeit mehr, auf Befehle von Vorgesetzten zu waren. Jeder Angehörige der Polizei muß durch sein Verhalten vorleben und zeigen, daß er Dienstleistender am Bürger ist. Nicht der Bürger ist für uns da - umgekehrt!

Immer noch ist festzustellen, daß dem Bürger zum Teil im Ton unangemessen gegenübergetreten wird und daß noch zu viele Kollegen zu wenig Eigeninitiative entfalten, sie vielmehr passiv warten, bis sie von "Oben" eine Weisung zum Tätigwerden erhalten. In der heutigen Gesellschaft brauchen wir den wachen, eigenständig tätig werdenden Polizeibeamten. Wenn wir das geschafft haben, wenn wir den letzten Rest des obrigkeitsstaatlichen Denkens der ehemaligen Volkspolizei abgelegt haben, ist bundesrepublikanisches Niveau erreicht und nur so ist der eingangs erwähnte Satz in der "Kreuzer-Illustrierten" zu verstehen.

"Polizei Sachsen": Wie sieht Ihr Konzept zur Abhilfe aus?

IdP Spang: Wir müssen fortfahren mit der konsequenten Aus- und Weiterbildung auf allen Ebenen und eine Dienstaufsicht pflegen, die derzeit leider zu oft "Führung" vermissen läßt. Wenn Kollegen beim Einschreiten unsicher sind, Schwächen zeigen, Fehler machen oder unangemessen reagieren, dann muß das von Vorgesetzten aufgefangen, abgefedert und abgestellt werden. Und zwar durch anleitende, partnerschaftliche und kooperative Führung bzw. Dienstaufsicht.

Hierzu müssen Vorgesetzte aller Ebenen bereit sein, dies ist Teil ihrer Aufgabe. Wer hierzu nicht bereit ist, sich vor dieser nicht immer angenehmen Aufgabe drücken will, kann nicht Vorgesetzter sein. Auch deshalb nicht, weil noch zu viele Mitarbeiter auf solche Stützen angewiesen sind. Wie die Verhältnisse sind, werden wir noch auf Jahre hinaus im Führungsverhalten andere Wege gehen müssen, als in den Altlandpolizeien. Das - und sonst nichts - war der Hintergrund meiner Äußerung, daß die sächsische Polizei noch auf lange Zeit anders sein wird als die in den Altländern. Anders! Nicht schlechter!

"Polizei Sachsen": Verstehen Sie die durch Ihre Äußerungen hervorgerufene Diskussion?

IdP Spang: Ich verstehe und begrüße sie, wenn vielleicht auch die eine oder andere Äußerung mir emotional überzogen erscheint. Ich hoffe, daß mancher Kollege diese Forderungen nach Lernen angemessener Umgangsformen und Stärkung der Eigeninitiative als Herausforderung begreift, der man sich stellen muß. Ich verstehe nicht, wie einige Kollegen zu der mir bekannt gewordenen Annahme kommen, die Konsequenz meiner Äußerungen wären Entlassungen auf breiter Front. Wer lernfähig und lernwillig ist - und das ist nach meiner Ansicht der überwältigende Teil der sächsischen Kollegen - hat nicht zu befürchten.

"Polizei Sachsen": Ein Vorwurf an Sie lautet, Sie würden sich nicht mit der Forderung identifizieren, "Einheit in den Köpfen" zu schaffen.

IdP Spang: Gerade die Möglichkeit, durch die Umstrukturierung und den Neuaufbau der sächsischen Polizei die Einheit mitzugestalten, war für mich Motivation, im Februar 1991 nach Dresden zu kommen. Ich bin für die "Einheit in den Köpfen", aber man muß realistisch sein: Diese Einheit muß erst noch erarbeitet werden, sie ist auch und gerade im Bereich der Polizei noch nicht da.

"Polizei Sachsen": Herr Spang, Ihr Schlußwort.

IdP Spang: Eine Position tut manchmal weh. Deutliche Worte müssen manchmal sein. Wir müssen dabei aufeinander vertrauen und ehrlich sein, auch auf die Gefahr hin, angreifbar zu werden. Herrn Oehler danke ich für seine Offenheit. Wie er denken sicher viele. Kritik trägt zur Klarstellung und zum gegenseitigen Verständnis bei. Gehen wir auch dabei offen miteinander um.

Wer aus meinen Äußerungen einen Ost- West- Gegensatz herauslesen oder einen solchen hineininterpretieren will, befindet sich gründlich auf dem Holzweg. Ich mag keinen Ost- West- Gegensatz. Für mich steht im Vordergrund die sächsische Polizei und ihr Auftrag, die Gewährleistung der Inneren Sicherheit; ob der einzelne Kollege ein Alt- Sachse oder ein Neu- Sachse ist, erscheint mir zweitrangig. An erster Stelle muß doch stehen, daß jeder auf seinem Platz bestmöglich seine Aufgaben erledigt.

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